Systemische Themenaufstellung - Unsicherheit in der Sicherheit
– Mai 2008 in Meran

 

Zur Situation:

Ich lebe gemeinsam mit meiner Partnerin und meiner 14. jährigen – also hoch pubertierenden Tochter – sowie 3 Hunden in Wien. Meine Freundin und ich sind seit knapp 4 Jahren zusammen und ich empfand unsere Beziehung eigentlich immer als sehr stabil – sicher und von Liebe getragen. Doch in den letzten Monaten – parallel mit der immer deutlicheren Pubertät meiner Tochter, wurden unsere Konflikte immer heftiger. Ich fühlte mich zwischen meiner Freundin und meiner Tochter hin und her gerissen. Bekam einerseits den Vorwurf wenig konsequent und zu gutgläubig meiner Tochter gegenüber zu sein. Wollte aber gleichzeitig auch nicht glauben, dass mein Kind,  nur weil es jetzt in der Pubertät ist, auf einmal nur mehr abartig böse und verkommen sein sollte. Ich hatte zumindest teilweise Verständnis für ihre Aktionen und wusste selbst nicht mehr wo und wann ich Grenzen setzten sollte. Schlussendlich stand ich einfach nur mehr zwischen den Stühlen – unfähig noch eigene Gefühle wahrnehmen oder selbständige Entscheidungen treffen zu können. Eigentlich verstand ich mich ja mit meiner Tochter gut – wie haben ein gutes Verhältnis. Aber immer mehr bekam ich das Gefühl mich zwischen meiner Tochter und meiner Freundin entscheiden zu müssen. Da offensichtlich ein Leben zu dritt nur alle Beteiligten unglücklich machte.

Am letzten Tag des Seminars bekam ich dankeswerter Weise die Möglichkeit diese Problematik aufzustellen. Zur kurzen Hintergrund Information: Inzwischen war die Situation in Wien so eskaliert dass meine Freundin ausgezogen und mit meiner Tochter zerstritten war und meine Tochter sich aus der Wohnung geschmissen fühlte weil ich sie gebeten hatte bis zu meiner Wiederkehr (3 Nächte) zur Großmutter zu gehen bei der sie sowieso fast einmal in der Woche schläft. Beide wollten nie wieder miteinander ein Wort sprechen… und ich stand in der Mitte… nahe einem Zusammenbruch. Doch ich wollte nicht länger schwach und hilflos sein. Ich wollte etwas tun – wollte handeln und dann hatte ich meine Aufstellung.

 

Exploration:

Teil Identifizierung

Aufgestellt wurden alle beteiligten Personen

- meine Freundin in der Rolle als meine Partnerin

- meine Freundin in der Rolle des „Stiefvaters“

- meine Tochter

- mein Anteil als Mutter von Melina

- meine Eigenverantwortung

- meine Verantwortung

- meine konstruktive Durchsetzung

- meine Rolle als Kratzbaum in der Pubertät meiner Tochter

- das gute Mutter-Kind Verhältnis

- der verstorbene Vater meiner Tochter

- meine Schwäche und Verzweiflung

- mein Humor

- Unsere Hunde – als ewig 3 jährige

- gemeinsame Freunde meiner Partnerin und mir

- gemeinsame Feinde meiner Partnerin und mir

- Sowie eine verstorbene Verwandte meiner Freundin die sich in einer ähnlichen Situation wie meine Freundin – nämlich ausgeschlossen und nicht gewollt fühlte.

 

Erleben:

Ich versuchte alle Personen und Anteile so gut wie nur möglich zu platzieren. Ich wollte es so gerne schaffen, dass sich alle verstehen und glücklich sind. Doch bereits nachdem alle ein paar Minuten auf ihren Platz standen schien die Situation total zu eskalieren.

Meine Freundin als Partnerin war total verzweifelt und brach fast zusammen. Die Situation erschien ihr komplett verfahren und fremd. Sie wusste nicht was sie tun sollte. Es war ihr einfach alles zuviel.

Meine Tochter stand neben ihr und ihr war total egal wie es ihr ging. Sie wollte eigentlich nur weg von ihr.

Nun wurden die Personen gebeten sich einen Platz zu suchen der ihnen angenehm und erträglich erscheint. Ich konnte diesmal nicht einschreiten sondern durfte einfach nur beobachten und so sah ich mit traurigen Augen, dass meine Freundin und meine Tochter eine große Distanz zueinander aufbauten. Anders schien es nicht möglich zu sein…

Nun gesellten sich auch noch meine Anteile als Mutter – als Kratzbaum – das gute Mutter Tochter Verhältnis und der verstorbene Vater zu meiner Tochter. Die mir von dieser „Mannschaft“ umgehen doch sehr gestärkt und zufrieden wirkte.

Unsere Freunde, mein Humor, die Hunde, meine Verantwortung und meine Eigenverantwortung standen irgendwie verteilt und meine Schwäche kauerte verzweifelt und mit Bauchschmerzen in einer Ecke. „Toll! Genauso fühl ich mich“ dachte ich mir aber ich sah nach wie vor keine Möglichkeit das ganze auch nur ansatzweise zu entflechten….

Ich sah zu meiner Freundin als Partnerin die komplett einsam nur mit der verstorbenen Verwandten und den gemeinsamen Feinden im Nacken zu mir als Mama blickte und zu mir wollte. Doch ich als Mama wollte bei meiner Tochter bleiben.

 

Erkenntnisse:

Da fiel mir erstmals auf das ich als Partnerin von meiner Freundin überhaupt nicht vorhanden war.

Ich reklamierte dies sofort und stellte mich nun als Partnerin mitten in den Kreis. Hinter mich gesellten sich sofort die Verantwortung – die kreative Durchsetzung und meine Eigenverantwortung.

Ich wollte mit der einen Hand meine Tochter halten und mit der anderen Hand meine Freundin halten. Und nun passierte natürlich genau folgendes – ich stand in der Mitte. Beide zogen an mir wie verrückt und ich wusste wieder nicht was ich tun sollte. Ich wurde aufgefordert abwechselt die Hand meiner Tochter und die meiner Freundin loszulassen und dabei auf meine Gefühle zu achten. Als ich die Hand meiner Tochter los ließ merkte ich auf einmal dass ich mich gut dabei fühlte. Schließlich war ich als Mutter ja noch bei ihr. Als Mutter durfte ich bleiben aber als Partnerin durfte ich loslassen. Als ich die Hand meiner Freundin los ließ merkte ich, dass dies sehr schwer war und mir wehtat.

Bei meiner Tochter konnte ich Mama, Kratzbaum und das gute Verhältnis sein – aber als Partnerin gehörte ich eindeutig zu meiner Freundin.

Das schien schon einmal geklärt aber trotzdem fühlte sich meine Freundin als Stiefvater noch immer ausgeschlossen. Und solange ich es nicht schaffen würde den „Stiefvater“ ebenso zu integrieren wäre ein Zusammenleben zweifelsohne zum Scheitern verurteilt und meine Partnerin würde sich dann ebenso ausgeschlossen fühlen.

Ich war ratlos…

Nun fingen die Personen an folgende Sätze immer und immer wieder zu sprechen.

(Ich als Mama:) Ich lasse los (Gutes Verhältnis zwischen Mutter und Kind:) dadurch wird das Miteinander viel leichter (Kratzbaum:) Das Kratzen hilft mir dabei

Meine Partnerin: Ich würde mir wünschen mitentscheiden zu können und zu dürfen. Ich wünsche mir Platz
Stiefvater: Mich braucht keiner

Tochter: Ich berühre Dich zärtlich wenn ich das möchte
Eigenverantwortung: Hör auf Dich! Hör auf alle Teile!
Verantwortung: Jeder übernimmt seinen Teil der Verantwortung

konstruktive Durchsetzung: Die Regeln werden gemeinsam aufgestellt.
Jeder bekommt seinen Teil
Schwäche: Du darfst auch mal schwach sein bei so viel Vielfalt.
Humor: Humor und Leichtigkeit
Hunde: Spielerisch und kraftvoll sind wir. Bleib in dieser spielerischen Kraft
gemeinsame Freunde: Vertrauen und Leichtigkeit
gemeinsame Feinde+ verstorbene Verwandte: Unterschätze Deine Feinde nicht

Mir wurde klar dass unser Zusammenleben nur dann funktionieren kann, wenn meine Freundin auch mitbestimmen darf und ihren fixen Platz zugeteilt bekommt.

Entscheidungen sollten gemeinsam getroffen und verhandelt werden. Und es wäre gut dabei kreative Ideen zu entwickeln, damit sich alle Beteiligten verstanden und eingebunden fühlen.

Auch sah ich ein, dass ich an meiner Eigenverantwortung arbeiten muss um nicht von den Launen anderer so abhängig zu sein. Und dass ich die kreative Durchsetzung benötige um die Verantwortung zu übernehmen.

Schlussendlich kam auch noch der verstorbene Vater meiner Tochter wie ein Schutzengel zu mir – er gab mir seine Hände und sagte:

Ich gebe gerne die Kraft dafür

Und ich antwortete:

Und ich nehme es und mache das Beste daraus

Inzwischen ist meine Freundin wieder nachhause gekommen und wir haben einen Familienvertrag geschlossen den wir (Ich, meine Freundin und meine Tochter) gemeinsam verhandelt haben und jeder abstimmen und seine Wünsche einbauen durfte. Der Vertrag wurde von allen unterzeichnet und bis heute ist eigentlich alles gut gegangen. Natürlich kommt es immer wieder zu „heiklen Situationen“ in denen es nicht immer einfach ist die Leichtigkeit und den Humor zu halten. Aber ich arbeite an mir – an meiner Einstellung und meinen Erwartungen mir selbst und den anderen gegenüber. Und ich habe durch das Seminar ein neues Werkzeug in der Hand…. Nämlich, wie ich mir jederzeit Kraft holen kann um das alles auch auszuhalten 

Auch dafür ein großer herzlicher Dank an Dr. Leibetseder!

Persönliches Empfinden der systematischen Familienaufstellung:

Ich denke, dass diese Art Familienaufstellung sehr gut aufzeigen kann wo Problematiken verankert sind. Sozusagen den „Knoten der gelöst werden muss“ sichtbar machen, da man die Möglichkeit hat sich aus der Situation herauszunehmen und von außen einen klareren Blick zu bekommen. Oft erscheinen ja Probleme anderen viel leichter lösbar als seinen eigenen…

Natürlich passiert es teilweise dass die aufgestellten Personen zu sehr in ihre eigene „Geschichte“ kippen aber auch das wird eindeutig empfunden. Man kann sehr gut spüren wer da gerade seine eigenen Gefühle ins „Spiel bringt“ und wer tatsächlich spiegelt.

Ich glaube, dass man eine Aufstellung nur dann machen sollte, wenn man auch soweit ist die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und sich nicht die endgültige Lösung alleine durch die Aufstellung erwartet.

Dieser Weg kann aufzeigen wie man handeln könnte wenn man das möchte aber es ist gerade „danach“ sehr wichtig auch wirklich handeln zu wollen.

Eva G.